Positionspapier

Berlin, Juni 2025

Positionspapier

Prostitution und Sexualassistenz

Menschen mit Behinderungen können in ihrer sexuellen Selbstbestimmung durch physische oder psychische Barrieren eingeschränkt sein. Warum Sexualassistenz aus Sicht des Bundesverbands Nordisches Modell e.V. (BVNM) jedoch nicht die Lösung zum Abbau entsprechender Barrieren sein kann, wird im Folgenden dargelegt. 

 

Das Schrifttum unterscheidet zwischen „aktiver“ und „passiver“ Sexualassistenz. Unter „passiver“ Sexualassistenz versteht man eine begleitende Unterstützung, die nicht unmittelbar in die sexuelle Handlung eingebunden ist (z.B. vertrauliches Gespräch, Besorgen von Verhütungsmitteln, Sexspielzeugen, schaffen einer intimen Umgebung). Hingegen ist die „aktive“ Form der Sexualassistenz - auch Sexualbegleitung genannt- durch direkten körperlichen Kontakt gekennzeichnet (z.B. Petting, erotische Massagen, Oral-, Anal- und Geschlechtsverkehr). Es ist wichtig zu beachten, dass die Grenzen zwischen passiver und aktiver Sexualassistenz fließend sein können, was insbesondere zu rechtlichen Grauzonen führt, wenn die handelnden Personen nicht über eine gesichert anerkannte Qualifikation verfügen.

 

Der BVNM setzt sich gegen das System Prostitution ein und lehnt jegliche Form des Sexkaufs ab. Somit sieht der BVNM die Entwicklungen im Bereich Sexualassistenz kritisch, weil diese als eine Form der Prostitution rechtliche, ethische und politische Probleme mit sich führen. 

 

1. Aktuelle (rechtliche) Situation in Deutschland

Aktive Sexualassistenz ist Prostitution i.S.d. Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG).[1] Die Vorgaben des ProstSchG gelten also auch für aktive Sexualassistenz. Passive Sexualassistenz hingegen fällt nicht unter das ProstSchG. 

Der Träger von Wohngruppen betreibt ein Prostitutionsgewerbe, wenn er seinen BewohnerInnen Leistungen einer entgeltlichen aktiven Sexualbegleitung vermittelt und/oder deren Erbringung in den Räumlichkeiten der Wohngruppe zulässt. Er ist auch Betreiber einer Prostitutionsstätte und muss daher die entsprechend einschlägigen Vorschriften des Prostituiertenschutzgesetzes beachten.[2]

Sexualassistenz/Sexualbegleitung ist kein geschützter Begriff, weshalb sie von jeder Person angeboten werden kann. Folglich wird aktive und passive Sexualassistenz derzeit auch von Personen angeboten, die keinerlei fachliche Ausbildung z.B. im Bereich Pflege, Therapie oder Pädagogik vorweisen können. Aktive Sexualassistenz stellt primär einen Zweig der Prostitutionsindustrie dar.

 

 

2. Es gibt ein Recht auf die eigene Sexualität - aber nicht auf Sex

Die Selbstbestimmung und Rechte von Menschen mit Behinderung werden nach wie vor an vielen Stellen beschnitten. Weiterhin bestehen gesellschaftliche Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung, auch in Bezug auf deren Sexualität. Jeder Mensch hat nach Art. 2 des Grundgesetzes „ein Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“. Die eigene Sexualität kann als Teil der Persönlichkeit aufgefasst werden. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung beinhaltet frei über die eigene Sexualität, sexuelle Orientierung oder sexuelle Praktiken entscheiden zu können. Ein Recht auf Sex leitet sich hieraus aber nicht ab! 

Sex zwischen Personen erfordert einen Konsens. Dieser Konsens lässt sich nicht durch Bezahlung oder eine andere Gegenleistung herstellen oder umgehen. Das Wesen der Prostitution ist, dass sexuelle Handlungen gegen Geld oder andere Gegenleistungen angeboten werden. Ohne den Transfer von Geld käme es folglich zu keinen sexuellen Handlungen. Prostitution stellt also immer die Kommerzialisierung sexueller Handlungen dar und richtet sich einseitig auf die Bedürfnisbefriedigung der nachfragenden Seite. 

 

3. Der Staat hat nicht die Aufgabe, Prostitution zu ermöglichen

Zwar hat der Staat mit der Legalisierung und Regulierung der Prostitution hier Zuständigkeiten der Kontrolle und des Schutzes geschaffen, jedoch ist es keine staatliche Aufgabe, Prostitution für alle Menschen zugänglich zu machen. Forderungen wie bspw. Sperrbezirke aufzulösen, um weniger mobilen Menschen den Zugang zu Prostitution zu ermöglichen[3], Kommunen anzuhalten, über Angebote der aktiven Sexualassistenz zu informieren oder eine staatliche Kostenübernahme für aktive Sexualassistenz zu fordern, sind insofern abwegig, als dass der Staat hier tatsächlich ein Recht auf Sex einräumen würde. Folglich müsste der Staat auch dafür Sorge tragen, dass für ein ausreichendes „Angebot“ in der Prostitution „gesorgt“ ist. 

Würde der Staat ein Recht auf aktive Sexualassistenz für Menschen mit Behinderung einräumen, würde sich hieran die Frage der Finanzierung der Realisierung dieses Rechts anschließen. Sollten die Sozialsysteme für die Kosten der Sexualassistenz aufkommen müssen, wie bereits in Einzelfällen erfolgt[4], würde ein Zweig der Prostitutionsindustrie durch das Sozialsystem und damit von der Allgemeinheit mitfinanziert werden. Außerdem müsste dann definiert werden, ab welchem Grad der Behinderung oder bei welcher Form der Einschränkung ein „Recht“ auf aktive Sexualassistenz bzw. Sexkauf gewährt werden würde. Andere Gruppen könnten dann ebenfalls einen Anspruch geltend machen (z.B. Menschen in Pflegeheimen, Demenzkranke, Menschen in der geschlossenen Psychiatrie oder im forensischen Maßregelvollzug) und in der Praxis finden sich bereits Fälle, in denen Prostitution bspw. im Rahmen „therapeutischer Maßnahmen“ Anwendung fand.[5] Ein Anspruch auf staatlich organisierte oder finanzierte Sexualassistenz würde außerdem den Rahmen staatlicher Schutzpflichten verlassen und eine positive Leistungspflicht begründen, für die es keine verfassungsrechtliche Grundlage gibt und die auch nicht mit der grundlegenden Systematik unseres Sozialrechts vereinbar ist. Das Sozialgesetzbuch regelt Leistungen zur „Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit“ (§ 1 Abs. 1 SGB I), die sich auf existenzielle Bedarfe konzentrieren.

 

4. Folgeprobleme der staatlichen Legalisierung und Regulierung der Prostitution

Deutschland legalisierte 2002 den Prostitutionsmarkt. Das Anbieten und Kaufen sexueller Handlungen ist ebenso legal wie der Betrieb von Prostitutionsstätten und nicht-ausbeuterische Formen der Zuhälterei. Im Prostitutionsgesetz von 2002 erkennt der Gesetzgeber Prostitution als Vertragsverhältnis an. Bereits 2007 hat die Bundesregierung festgestellt, dass das Prostitutionsgesetz keines seiner Ziele 

erreicht hat.[6] Das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 greift regulierend in den Prostitutionsmarkt ein, indem es bspw. eine Anmeldepflicht für Prostituierte vorsieht oder Anforderungen an Prostitutionsstätten stellt. Mit dieser gesetzlichen Regelung und Regulierung verpflichtet sich der Staat zur Kontrolle der Vorgaben und dazu den Schutz Prostituierter zu gewährleisten. Faktisch kann der Staat sein Schutzversprechen nicht einlösen. Weder können Vorgaben wie die Kondompflicht tatsächlich kontrolliert werden, noch kann das „fortlaufende Einverständnis“ der Prostituierten gewährleistet sein, welche auch die Autonomie miteinschließt, dass die sexuelle Handlung jederzeit abgebrochen werden kann.[7] Das „Recht auf Autonomie in Form der sexuellen Selbstbestimmung, welches die Würde von Menschen garantiert“ zu schützen, ist staatliche Pflicht.[8] Die Autonomie der Prostituierten wird durch verschiedene Faktoren (z.B. Zwang, Abhängigkeitsverhältnisse, finanzielle Not) jedoch eingeschränkt, sodass das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung durch die Prostitution verletzt wird und staatlich nicht garantiert werden kann.[9]

 

5. Schutzpflicht des Staates gegenüber Menschen mit Behinderung

Würde der Staat ein Recht auf aktive Sexualassistenz für Menschen mit Behinderung einräumen, so müsste der Staat zwingend Maßnahmen ergreifen, die den Schutz vor Gewalt und Missbrauch garantieren. Menschen mit Behinderung und insbesondere Frauen mit Behinderung sind besonders oft von Gewalt und sexualisierter Gewalt betroffen. Dass aktive und passive Sexualassistenz vor diesen Hintergrund von praktisch jeder Person angeboten werden darf, ist äußerst kritisch zu betrachten.[10]   In Abhängigkeitsverhältnissen, wie z.B. in der Pflege, ist aktive Sexualassistenz nach §§ 174 ff. StGB verboten. Zum Schutz „vor jeder Form von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch, einschließlich ihrer geschlechtsspezifischen Aspekte“ ist Deutschland nach Artikel 16 der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet. Schutz und die Wahrung der Autonomie von Menschen mit Behinderung müssten demnach jederzeit garantiert werden. Wie eine solche Autonomie im Kontext der Prostitution gewährleistet werden kann, ist mehr als fraglich. Es ist nicht geklärt, wie die Zustimmung zu einer sexuellen Handlung seitens Menschen mit Behinderung sichergestellt werden kann. Gerade Personen, die beispielsweise schwer kognitiv beeinträchtigt sind, könnten leicht Opfer von sexuellen Übergriffen und Grenzverletzungen werden, da sie entweder nicht in der Lage sind, ihre Einwilligung oder Widerspruch zu sexuellen Handlungen zu äußern oder ihre Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt ist. Die Beteiligten müssen den sexuellen Handlungen frei zustimmen können und die Autonomie besitzen, die sexuelle Handlung jederzeit zu beenden. Wird ausschließlich von einer anfänglichen oder einer angenommenen Zustimmung seitens Menschen mit Behinderungen zu sexuellen Handlungen ausgegangen oder erfolgt die „Zustimmung“ sogar durch einen Vormund, wird eine Verletzung des Rechts auf Autonomie der betroffenen Person billigend in Kauf genommen. Die Schutzpflicht vor Gewalt und (sexuellem) Missbrauch überwiegt hier aus unserer Sicht deutlich, da Missbrauch gravierende Folgen für die Betroffenen haben kann. 

 

6. Beratung ja, Vermittlung von Prostitution nein

Qualifizierte Beratungsangebote durch Fachpersonal, die Menschen bei der Verwirklichung ihrer Sexualität und dem Schutz ihrer sexuellen Selbstbestimmung unterstützen, zum Beispiel durch die Bereitstellung von Informationsmaterialien oder Sexualaufklärung, sind wichtig und richtig. Angebote für Menschen mit Behinderung, die auch die Vermittlung von Prostitutionsangeboten umfassen, wie dies derzeit in der passiven Sexualassistenz Praxis ist, sind abzulehnen.[11] Sie tragen zum Erhalt des Systems Prostitution und den geschilderten Folgeproblemen bei.

 

7. Sexualassistenz im Spiegel der Normalisierung von Prostitution 

Die Prostitutionsindustrie führt immer wieder Argumente für die aktive Sexualassistenz ins Feld, die sich bei genauerer Betrachtung als Scheinargumente entpuppen. 

 

Scheinargument 1:

Menschen mit Behinderung haben keine andere Möglichkeit ihre Sexualität auszuleben als über Prostitution.

  • Erwiderung

Dieses Argument stellt eine Abwertung von Menschen mit Behinderung dar, weil es sie als nicht begehrenswert darstellt. Ihnen wird abgesprochen, Sexualität im Rahmen von gegenseitigem Konsens oder Partnerschaft verwirklichen zu können. Außerdem wird Sexualität hier auf die bloße Befriedigung eines sexuellen Bedürfnisses reduziert. Zu Sexualität zählt aber auch das Bedürfnis nach Nähe, Intimität, Vertrauen, gegenseitiger Wertschätzung und Liebe. Die Prostitution ist ein Vertragsverhältnis auf Zeit, dass die einseitige Befriedigung des Bedürfnisses einer Person gegen Bezahlung zum Ziel hat. Würde keine Bezahlung stattfinden, würde auch keine „Leistung“ erbracht werden. 

 

Scheinargument 2: 

Die Ermöglichung des Sexkaufs für Männer mit Behinderung oder pflegebedürftigen Männern verhindert sexuelle Übergriffe auf das weibliche Pflegepersonal.

  • Erwiderung

Das Argument impliziert ein sehr bedenkliches Geschlechterbild, denn es schlägt vor, prostituierte Frauen übergriffig gewordenen Männern zu vermitteln, um andere Frauen (Pflegekräfte und Mitbewohnerinnen) vor Übergriffen zu schützen. Solch eine Argumentation trennt Frauen in zwei Gruppen und zeugt von einer misogynen Einstellung. Davon abgesehen wissen Personen, die bewusst sexuelle Übergriffe begehen, dass sie sexuell übergriffig sind. Es geht ihnen um die Ausübung von Macht und nicht um das Ausleben „sexuelle Bedürfnisse“. Solche Annahmen gehen von einer „Triebtheorie“ aus, die überwiegend Männer so darstellt, als könnten diese ihr sexuelles Verhalten nicht kontrollieren. Solch ein Argument rechtfertigt sexuelle Übergriffe durch die Hintertür, statt jegliche Form sexualisierter Gewalt abzulehnen. Das Argument verweist außerdem darauf, dass auch im Bereich 

Sexualassistenz eine eindeutige Geschlechter-Asymmetrie, die typisch für Prostitution ist, vorliegt. Es geht auch hier primär um den Zugriff von Männern auf den weiblichen Körper zur sexuellen Benutzung. Der Sexkauf im Rahmen der aktiven Sexualassistenz wird darüber hinaus als Form der Inklusion von Männern mit Behinderung verklärt: „Manche Männer mit Behinderung bevorzugen es ausdrücklich, ein herkömmliches Bordell zu besuchen. In diesem Szenario kann sich der Mann mit Behinderung dem Mann ohne Behinderung sexuell gleichgestellt fühlen“.[12] Aussagen wie diese unterstreichen die Normalisierung des männlichen Anspruchsdenkens auf den Zugang zu Prostitution. Dass Prostitution für die meisten prostituierten Frauen eine schwere Gewalterfahrung darstellt und die gesundheitlichen Folgen gravierend sind, wird ausgeblendet. Solche Denkmuster zementieren das Patriarchat und stehen der Gleichstellung der Geschlechter diamental entgegen.[13]

 

Scheinargument 3:

Prostituierte sind Expertinnen für Sex und deshalb für die Durchführung der Sexualassistenz geeignet.

  • Erwiderung

Die Prostitutionsindustrie sieht in der aktiven Sexualassistenz einen neuen Geschäftszweig, mit dem sich Geld verdienen lässt und mit dem die Prostitution weiter als „Beruf“ normalisiert und die Gewalt des Systems Prostitution verdeckt werden kann. Bereits jetzt bieten Organisationen aus der Prostitutionsindustrie sogenannte „Umschulungen“ zur Sexualassistenz (ein rechtlich ungeschützter Begriff) an. In der Vergabe rechtlich bedeutungsloser Zertifikate nach dem Besuch von willkürlich und ohne Fachaufsicht zusammengestellter zahlungspflichtiger Kurse entsteht ein neuer Gewerbezweig, der die Ausbeutung von Prostituierten fortsetzt. Die meisten Frauen in der Prostitution würden sofort aussteigen, wenn sie entsprechende Unterstützung bekommen würde. Sie erfahren die Prostitution als ständige Grenzverletzung und Gewalt und sind teils schwer traumatisiert. Die Prostitution unter dem „Label Sexualassistenz“ ändert nichts an dieser Tatsache. Organisationen der Prostitutionsindustrie verkaufen die Umschulungen als „Professionalisierungsmöglichkeit“. Einen Ausstieg aus der Prostitution ermöglichen sie nicht.[14]

 

 

Scheinargument 4:

Sexualassistenz ist ein Beitrag zur Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung.

  • Erwiderung

Dieses Argument impliziert, dass Prostitution Teil des bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens ist, an dem alle Gesellschaftsmitglieder das Recht hätten zu partizipieren. Wie abwegig dieses Argument ist, wird vor allem dann klar, wenn man in Betracht zieht, dass immer mehr Länder Prostitution als eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt anerkennen und das Nordische Modell übernehmen. Sexkauf wird als unvereinbar mit einer gleichgestellten und gerechten Gesellschaft angesehen. Darüber hinaus verkennt dieses Argument, dass bei Prostitution keine echte Intimität und Nähe entsteht. Alle Handlungen, die während des prostitutiven Akts stattfinden, finden statt, weil dafür bezahlt wurde und nicht, weil gegenseitiges Begehren vorliegt.

 

Fazit 

Der Bundesverband Nordisches Modell e.V. setzt sich für eine Gesellschaft ein, in der das Recht aller Menschen auf sexuelle Selbstbestimmung und die Autonomie als integraler Bestandteil der Menschenwürde geschützt werden. Die Einwilligung in eine sexuelle Handlung durch Bezahlung herzustellen (aktive Sexualassistenz), fällt nicht unter gesellschaftliche Teilhabe im Sinne der Menschenwürde, sondern stellt eine Form des Sexkaufs dar. Das gilt gleichermaßen für Menschen mit und ohne Behinderung.

 

Das System Prostitution läuft dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Autonomie entgegen. Die Anliegen von Menschen mit Behinderung dürfen nicht zum Spielball der finanziellen Interessen der Prostitutionsindustrie werden. Die aktive Sexualassistenz/Sexualbegleitung wird von Akteuren der Prostitutionsindustrie ins Feld geführt, um beispielsweise Sperrbezirksregelungen für Prostitution aufzuweichen und so den Prostitutionsmarkt zu vergrößern. Unter dem Begriff Sexualassistenz wird nicht nur ein neuer Geschäftszweig der Prostitutionsindustrie befördert, sondern auch eine weitere Normalisierung der Prostitution betrieben, die die tatsächlichen Gewalt- und Ausbeutungsverhältnisse verschleiert. Der Bundesverband Nordisches Modell e.V. lehnt jegliche Form des Sexkaufs und jegliche Form der Förderung des Systems Prostitution ab. 

 


 

[1] VG Augsburg (5. Kammer), Urteil vom 26.10.2023 – Au 5 K 22.1430; Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags (2018): Sexualassistenz für Menschen mit Behinderungen. Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 052/18.

[2] rechtskräftig bestätigt vom VGH München (22. Senat), Beschluss vom 13.05.2024 – 22 ZB 24.10.

[3] Vgl. hierzu die Diskussion in München. https://www.br.de/nachrichten/bayern/prostitution-in-muenchen-faellt-der-sperrbezirk,TJPWXbc

[4] Wie bspw. schon erfolgt bei Sozialgericht Hannover: „Die Sexualbegleitung stellt eine Leistung zur Sozialen Teilhabe im Sinne des § 76SGB IX dar.“ SG Hannover vom 11.7.2022 – S 58 U 134/18

[5] Entwicklungen in diese Richtung sind bereits jetzt zu beobachten. So wurde im Maßregelvollzug in Lippstadt-Eickelborn einzelnen Sexualstraftätern aus „therapeutischen Gründen“ ein Bordellbesuch genehmigt. In der Klinik des Maßregelvollzugs Osnabrück wurde 2001 eine Prostituierte beauftragt „mit intelligenzgeminderten Sexualstraftätern einen gewaltfreien sexuellen Umgang mit Frauen praktisch einzuüben.“ Siehe: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/einzelnen-sexualstraftatern-in-nrw-wurde-bordellbesuch-genehmigt-4142641.html [letzter Zugriff: 01.06.25].

[6] Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz - ProstG), 2004.

[7] Mack/Rommelfanger (2023): Sexkauf: Eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution. Nomos. S. 234.

[8] Ebd.

[9] Hierzu ausführlich Mack/Rommelfanger (2023): Sexkauf: Eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution. Nomos. S. 236 ff.

[10]Ein medizinischer, pädagogischer oder therapeutischer Fachhintergrund ist keine Voraussetzung und der Begriff Sexualassistenz ist nicht geschützt. Als „Ausbildungsort“ für Sexualbegleitung taucht immer wieder das „Institut zur Selbst-Bestimmung Behinderter“ (ISSB) in Trebel auf. Seit 2022 ist das Institut geschlossen und fungiert unter dem neuen Namen „Beratungsstelle Sandfort“. Auf der Homepage der Beratungsstelle Sandfort finden sich jedoch keine Informationen zum Ausbildungsinhalt. Umso mehr verwundert es, dass Organisationen, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzen (z.B. Aktion Mensch oder die Deutsche Fernsehlotterie) auf diese Stelle im Kontext der Sexualassistenz verweisen [letzter Zugriff: 01.06.25].

[11] Bspw. bei Pro Familia Nürnberg, die Prostitutionskontakte vermitteln: https://www.profamilia.de/angebote-vor-ort/bayern/beratungsstelle-nuernberg/leichte-sprache/sexualbegleitung [letzter Zugriff: 01.06.25].

[12] Döring, Nicola (2025): Sexuelle Aktivitäten in digitalen Kontexten: Chancen und Risiken für Menschen mit Behinderung. In: Herrath, Frank / Brönstrup, Kathrin (Hrsg.): Sexualität unbehindert leben Rechte, Wirklichkeiten, Forderungen. Kohlhammer. S. 296.

[13] Im Übrigen hat der Gesetzgeber Regelungen geschaffen, die verhindern, dass weibliche Pflegekräfte oder andere Heimbewohner wiederholt sexuellen Übergriffe von Heimbewohnern ausgesetzt sind und die ständige Rechtsprechung bestätigt, dass die außerordentliche Kündigung durch Pflegeeinrichtungen gegenüber Heimbewohnern wegen sexueller Übergriffe rechtmäßig ist (Zuletzt OLG Hamburg, 

29.04.2025, https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/NJRE001608005 [letzter Zugriff: 01.06.25]).

[14] Einen solchen „Kurs“ bietet u.a. Kassandra Nürnberg an: https://www.kassandra-nbg.de/fortbildung-sexualbegleitung/ [letzter Zugriff: 01.06.25]. Beworben wird der Kurs auch auf der Prostitutionsplattform „Kauf mich“ (auf Verlinkungen zu Prostitutionsseiten wird hier bewusst verzichtet. Das Angebot kann dort aber eingesehen werden).

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